Ausgleich zu den Herausforderungen im Medienbereich, ständig zu haltenden Deadlines und täglich auf mich einstürmenden Inputs, war und ist für mich das Sein in der Natur. Laufend, wenn wenig Zeit bleibt, oder einfach mit Wilma, einer inzwischen siebenjährigen Eurasier-Hündin, durch den Wald stromernd. Lange bevor der Begriff „Waldduschen“ benutzt wurde, habe ich dies für mich als Ruhe und Kraft spendende Quelle erfahren.
Und wer noch nie in einen Sonnenaufgang gelaufen ist, wer noch nie das Erwachen eines Waldes erleben durfte, dem empfehle ich einen 24-Stunden-Lauf oder einfach mal in die Nacht hinein zu wandern. So gerne ich lese und so wichtig für mich die kleinen Fluchten in die Welt der Bücher sind, so wird man mich selten schmöckernd an einem Strand liegen sehen. Ein Urlaub ohne Bewegung, Ferien ohne Sport sind für uns keine Erholung. Manchmal müssen es Gipfel sein, aber oft ist auch „nur“ der Weg das Ziel. Und die schönste Aussicht ist immer noch die, die man sich selbst erarbeitet hat. Deswegen ziehe ich Bergläufe jedem noch so umjubelten Stadt-Marathon vor.
Tiefster Winter im tief verschneiten Nordnorwegen kann so überwältigend bunt sein, dagegen habe ich die Erinnerung an eine Trekking-Tour durch Ladakh in monochromem Beige abgespeichert. Das Inlandeis von Grönland weckt den Glauben an mystische Mächte, und nirgendwo wurden wir so gut bekocht, wie auf einer Gasflamme im peruanischen Hochland. Der Vogelruf des Oropendula aus dem ecuadorianischen Urwald ist unnachahmlich und unvergessen laut. Nirgends fühlte ich mich so behütet und umsorgt wie in der Wildnis von Kasachstan oder im Hochland von Bhutan, fünf Tagesmärsche von jeglicher Zivilisation entfernt. Zur Landschaft gewordene Stille durften wir auf den Hochebenen Mustangs erleben. Zu den schönsten Erfahrungen gehört die ungemeine Gastfreundschaft der Menschen, denen wir in all den bereisten Ländern begegnet sind – oft hatten tatsächlich diejenigen am meisten zu geben, die am wenigsten besitzen. Und tröstlich ist es zu sehen, wie respektvoll Buddhisten mit Tieren umgehen.
Und so versuche ich, die Welt immer wieder neu zu entdecken, denn „die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nicht angeschaut haben“ – so der verehrungswürdige Alexander von Humboldt. Oder frei nach Mark Twain: „Reisen ist tödlich – gegen Vorurteile“.